HygSo-Hygienenews März - April 2025
1. Arboviren in Südosteuropa
Die Ergebnisse einer Studie zeigen, dass sich Arboviren, die lange auf subtropische und tropische Regionen beschränkt waren, auch in Südosteuropa verbreiten.
In den Sommermonaten treten auf dem Balkan vermehrt Infektionen mit Arboviren auf, die jedoch oft unerkannt bleiben. Die Mermaids-Arbo-Studie (2016–2019) untersuchte in 21 Kliniken aus sieben Balkanstaaten gezielt Patienten mit Symptomen wie Enzephalitis, hohem Fieber, neurologischen Ausfällen oder hämorrhagischen Symptomen.
Von 913 Verdachtsfällen wurden 847 Blutproben analysiert, wobei in 13 % der Fälle Infektionen mit dem West-Nil-Virus (WNV), dem Toscana-Virus (TOSV), dem Tick-Borne-Enzephalitis-Virus (TBEV) oder dem Krim-Kongo-Hämorrhagischen-Fieber-Virus (CCHFV) nachgewiesen wurden. Die Ärzte hatten nur bei weniger als der Hälfte der Betroffenen eine Arbovirus-Infektion in Betracht gezogen. Stattdessen wurden 80 % der Patienten mit Antibiotika behandelt, 42 % erhielten Kortikosteroide und 24 % Virustatika. 12 % mussten auf der Intensivstation versorgt werden, ein Patient verstarb.
Die Studienautoren um Louise Sigfrid vom Pandemic Sciences Institute aus Oxford folgern, dass Arboviren in der Region häufiger sind als bislang vermutet. Sie fordern eine verstärkte Überwachung sowie eine Sensibilisierung von Ärzten, auch außerhalb des Balkans. Denn auch in anderen südlichen Regionen Europas wie Italien und der Iberischen Halbinsel kommt es in den Sommermonaten zu sporadischen Arbovirus-Erkrankungen.
Weiterführender Link:
https://www.aerzteblatt.de/news/rubriken/medizin/arboviren-haben-sich-in-sudosteuropa-ausgebreitet-48aafff0-611b-45cd-ac32-58fe660750a2
2. Hygienevorgaben: was Praxisteams am meisten ärgert
Viele Ärztinnen und Ärzte empfinden die aktuellen Hygienevorschriften als übertrieben und umweltbelastend, insbesondere in konservativ arbeitenden Praxen. Ein Gutachten des Fraunhofer-Instituts im Auftrag der KBV zeigt auf, wo es bei den Hygienevorgaben Spielräume für Anpassungen gibt und was medizinisches Personal besonders stört: vor allem unnötiger Aufwand und Müll.
Die Bedeutung von Hygienestandards in Arztpraxen steht außer Frage, betonte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), bei der Präsentation des Gutachtens des Fraunhofer-Instituts. Allerdings würden niedergelassene Ärztinnen und Ärzte mit Vorschriften konfrontiert, die ursprünglich für den Klinikbetrieb entwickelt wurden und sich nicht ohne Weiteres auf den Praxisalltag übertragen lassen. Für eine sinnvolle und effiziente Nutzung vorhandener Ressourcen sei es daher essenziell, die spezifischen Rahmenbedingungen in Arztpraxen stärker zu berücksichtigen.
Beispielhaft wurde etwa die Zweieimerwischmethode genannt, die als kaum umsetzbar im Praxisalltag beschrieben wurde – besonders dort, wo Reinigungsfirmen bereits mit Mühe zuverlässig verfügbar sind. Aus die Pflicht zur Verwendung von Einwegpinzetten beim Fädenziehen wurde als übertrieben, teuer und wenig nachhaltig empfunden.
Ein weiteres Problem betrifft das große Müllaufkommen in den Praxen – verursacht durch zahlreiche Einwegprodukte, mehrfach verpackte Materialien oder umfangreiche Regelungen zur Abfallentsorgung. Einige Befragte hinterfragten etwa die Sinnhaftigkeit von Liegenpapier in Situationen mit geringer Kontaminationsgefahr und schlugen stattdessen gezielte Flächendesinfektionen vor.
Zudem wurde angemerkt, dass einige Vorgaben – wie die zur Reinigung von Arbeitskleidung oder zum Einsatz von Flächendesinfektionsmitteln – in Hausarztpraxen schwer umzusetzen und nicht immer verhältnismäßig seien. Manche Praxen setzen inzwischen auf alternative Lösungen wie UV-basierte Luftreiniger.
Schade, dass der Artikel, die seitens der Arztpraxen geäußerten Ideen nicht kritisch kommentiert. Das holen wir hier nach:
- Verzicht auf Liegenpapier aus Zellstoff: sinnvoll, da das Papier ohnehin mehr eine optische Sauberkeit der Fläche suggeriert und keinen hygienischen Nutzen bringt (es deckt ja meist auch nicht die gesamte Untersuchungsliege ab)
- Mitbringen eigener Handtücher: je nach Tätigkeit sinnvoll (z.B. zum Abtrocknen bei Belastungs-EKG); für die Reinigung eines Ultraschallkopfes nur geeignet, wenn dieser danach auch desinfiziert wird
- privates Waschen von Arbeitskleidung: ist für kontaminierte Arbeitskleidung untersagt
- Reinigung statt Flächendesinfektion: geht nur auf patientenfernen Flächen (z.B. Heizkörper oder Böden); für aseptisch genutzte und/oder kontaminierte Flächen ist eine Flächendesinfektion nicht verhandelbar
- Nutzung von UV-Luftreinigern: hier hat sich bei der Aufarbeitung der Pandemie gezeigt, dass Luftreinigungsgeräte keinen Vorteil gegenüber regelhaftem Stoß- oder Querlüften bringen. Im Gegenteil können je nach Gerät und fehlerhaftem Umgang damit hiervon sogar Gesundheitsgefahren ausgehen..
Weiterführender Link:
https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Hygienevorgaben-Das-regt-Praxisteams-am-meisten-auf-457858.html?searchtoken=Zr1lcgPAXbLCqjhqARj6e%2fqSj2g%3d&starthit=1
3. Hygiene-Tipp: Prüfung von flexiblen Endoskopen
Ist eine jährliche mikrobiologische Routinetestung erforderlich für flexible Endoskope der Klasse kritisch C, die nach der Aufbereitung im RDG-E steril verwendet werden (z.B. Zystoskope, Ureterorenoskope), ähnlich wie bei Gastroskopen, Bronchoskopen oder Koloskopen?
In der aktualisierten Anlage 8 (2024) der KRINKO-/BfArM-Empfehlung zur Aufbereitung von Medizinprodukten beschreibt Tabelle 3 eine Produktkontrolle, bei der Mikroorganismen aus allen Kanälen von Endoskopen eluiert werden. Dabei wird die Gesamtkeimzahl erfasst und überprüft, ob Indikatormikroorganismen nach maschineller, teilmaschineller oder manueller Aufbereitung vorhanden sind.
Diese Anforderung gilt auch für flexible Endoskope, die nach der Reinigung und Desinfektion einer abschließenden Sterilisation unterzogen werden. Vor der Niedrigtemperatur-Sterilisation müssen sie entsprechend untersucht werden.
Eine vergleichbare Prüfung ist Teil der Validierung von Reinigungs- und Desinfektions-verfahren für thermolabile Endoskope. Hierbei wird zudem die Reinigungswirkung an Praxisinstrumenten kontrolliert. Dies ist besonders relevant, da Blutreste die Effektivität der nachfolgenden Sterilisation mit Ethylenoxid, Formaldehyd, Wasserdampf oder ins-besondere H₂O₂ erheblich beeinträchtigen können.
Weiterführender Link:
https://www.bdc.de/hygiene-tipp-pruefen-von-flexiblen-endoskopen/?parent_cat=252
4. Verbreitung von C. difficile auf Intensivstationen
Clostridioides difficile wird offenbar häufiger als bisher angenommen direkt zwischen Patienten auf Intensivstationen übertragen. Einer Studie zufolge brechen die Infektionsketten nicht unbedingt mit der Entlassung eines Patienten ab und umfassen oft Patienten in unterschiedlichen Zimmern.
C. difficile ist normalerweise selten im Darm gesunder Erwachsener zu finden, kann sich jedoch nach einer Antibiotikatherapie rasant ausbreiten und andere Bakterien verdrängen. Toxin bildende Stämme können schwerwiegende Erkrankungen wie pseudomembranöse Kolitis oder toxisches Megakolon verursachen, die potenziell tödlich verlaufen.
Die meisten Infektionen treten auf Intensivstationen auf, was Experten vor allem auf den häufigen Antibiotikaeinsatz zurückführen. Bisher wurde angenommen, dass direkte Übertragungen zwischen Patienten selten sind. Doch neue Erkenntnisse von Michael Rubin und seinem Team von der Universität Utah in Salt Lake City widersprechen dieser Einschätzung.
In einer Untersuchung von über 7.000 Proben, die innerhalb von 5 bzw. 8 Wochen auf zwei Intensivstationen von 177 Patienten, Zimmeroberflächen und dem Personal entnommen wurden, gelang es den Forschern durch Genomsequenzierung, Infektionsketten nachzuverfolgen. Dabei wurden sieben Cluster mit genetisch identischen Bakterien identifiziert – ein klarer Hinweis auf Übertragungen zwischen Patienten. Insgesamt waren 7,7 % der Patienten betroffen.
In 57 % der Fälle hatten die betroffenen Patienten sich nicht zur gleichen Zeit auf der Station aufgehalten, was darauf hindeutet, dass die Bakterien über kontaminierte Oberflächen oder unzureichend gereinigte Bereiche weitergegeben wurden. Rubin macht Mängel bei der Umgebungsdesinfektion und der Händehygiene verantwortlich und schätzt das Risiko einer nosokomialen Übertragung als mehr als dreimal so hoch ein wie bislang angenommen.
Weiterführender Link:
https://www.aerzteblatt.de/news/rubriken/medizin/wie-sich-c-difficile-auf-intensivstation-ausbreitet-e87bf266-3162-409b-926f-fcf749420aa9
5. Hygiene-Tipp: Hygienische Anforderungen in Wartebereichen
Ambulanzbereiche und Arztpraxen sind ein zentraler Bestandteil der medizinischen Versorgung. Gewisse hygienische Maßnahmen sind hier ggf. auch in Wartebereichen bzw. Wartezimmern sinnvoll.
Infektionskrankheiten wie Atemwegs- oder Magen-Darm-Infektionen werden häufig über Tröpfchen oder Kontakt übertragen, weshalb räumliche Distanz und hygienische Maßnahmen in Wartebereichen nicht ignoriert werden dürfen. Da Abstände oft nicht eingehalten und gemeinsame Oberflächen regelmäßig berührt werden, besteht ein grundsätzliches Risiko der Erregerübertragung.
Auch wenn die KRINKO in Wartezimmern von Arztpraxen keinen unmittelbaren hygienischen Handlungsbedarf vorschreibt, können medizinische Einrichtungen hier sinnvolle Hygienemaßnahmen etablieren. Zentrale Maßnahmen zur Risikominimierung können z.B. die gezielte Desinfektion sichtbar verschmutzter Flächen sein. Zudem könnten Patienten mit ansteckenden Krankheiten gar nicht erst im Wartezimmer platziert werden. Stattdessen kann durch telefonische Vorabklärung eine Infektionssprechstunde oder direkte Weiterleitung in Behandlungsräume organisiert werden, um den Kontakt zu anderen Patienten zu minimieren.
Ergänzend helfen kann eine Möglichkeit zur Händedesinfektion für Patienten, in dem z.B. am Praxiseingang ein Händedesinfektionsspender platziert und durch einen passenden Aushang auf die richtige Anwendung hingewiesen wird. Für Patienten mit einem Atemwegsinfekt kann zudem eine Packung mit Mund-Nasen-Schutz bereitgestellt werden, sodass etwaige Tröpfchenübertragungen in den Räumlichkeiten reduziert werden.
Wenn in einem Wartebereich auch Spielzeug für Kinder vorgehalten wird, sollte dieses desinfektionsmittelbeständig sein, täglich auf Verschmutzungen kontrolliert und bei Bedarf desinfiziert werden. Hierfür ist dann am besten ein alkoholisches Präparat zu nutzen, das keine Rückstände auf den Spielsachen hinterlässt.
Weiterführender Link:
https://www.bdc.de/hygiene-tipp-hygiene-in-wartezimmer-und-wartebereichen/?parent_cat=250
6. Impfgeschehen in Deutschland - VacMap
VacMap ist ein webbasiertes Auswertungstool, das vom Robert Koch-Institut (RKI) in Zusammenarbeit mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) entwickelt wurde. Es dient der Visualisierung und Analyse von Impfquoten auf Basis der KV-Impfsurveillance, also der Abrechnungsdaten von Impfleistungen in Deutschland.
Das Dashboard liefert eine umfassende Darstellung der Inanspruchnahme von der STIKO empfohlenen Routineimpfungen – sowohl in räumlicher als auch zeitlicher Hinsicht. Auf dieser Grundlage lässt sich nachvollziehen, wie gut die Impfempfehlungen umgesetzt wurden, und es können bestehende Impflücken in bestimmten Regionen, Al-ters- oder Indikationsgruppen erkannt werden. Dieses Wissen unterstützt die gezielte Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Erhöhung der Impfquoten.
Weiterführende Links:
VacMap – Dashboard zum Impfgeschehen in Deutschland
https://www.rki.de/DE/Themen/Infektionskrankheiten/Impfen/Impfquoten/VacMap/vacmap.html
7. Tag der Händehygiene am 5.5.2025
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im Jahr 2009 den Internationalen Tag der Händehygiene eingeführt, der seitdem jährlich am 5. Mai (5.5.) begangen wird. Ziel dieses Aktionstags ist es, das Bewusstsein für die Händehygiene zu stärken.
Die WHO hat für die diesjährige Kampagne zum Internationalen Tag der Händehygiene das Motto „It might be gloves. It’s always hand hygiene.” gewählt. Der Fokus liegt auf der Bedeutung der fünf Momente der Händehygiene im medizinischen / pflegerischen Bereich, wobei der korrekte Einsatz von Einmalhandschuhen auch thematisiert wird. Dabei wird besonders auf den umweltfreundlichen Einsatz von Handschuhen geachtet.
Die KRINKO hat in diesem Zusammenhang ihre Empfehlungen aktualisiert und einen Kommentar zum indikationsgerechten Einsatz von medizinischen Einmalhandschuhen im Gesundheitswesen veröffentlicht. Dieser stellt klar, in welchen medizinischen Situationen das Tragen von Handschuhen erforderlich ist – etwa bei Kontakt mit Blut, Schleimhäuten oder nicht intakter Haut. In anderen Fällen, wie etwa bei Impfungen, sind sie aus infektionspräventiver Sicht nicht notwendig. Der Kommentar betont auch den Nachhaltigkeitsaspekt und fordert die Gesundheitsbranche dazu auf, die Verwendung von Einmalhandschuhen kritisch zu hinterfragen, um den unnötigen Verbrauch von Ressourcen und CO₂-Emissionen zu vermeiden.
Die COVID-Pandemie hat den Verbrauch von Einmalhandschuhen stark erhöht. Seitdem wird häufiger beobachtet, dass Handschuhe in Situationen getragen werden, in denen sie nicht notwendig sind. Dies führt zu unnötigem Ressourcenverbrauch und kann sogar korrekte Händedesinfektionen behindern, und somit Patienten und Personal gefährden.
Die KRINKO möchte mit ihrem Kommentar das Bewusstsein unterstützen, wann medizinische Einmalhandschuhe notwendig sind, und ermutigen, die indikationsgerechte Verwendung zu fördern. Ziel ist es, sowohl Patienten- und Arbeitsschutz zu verbessern als auch klima- und umweltschonende Maßnahmen zu unterstützen.
Weiterführender Link:
https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/Epidemiologisches-Bulletin/2025/18_25.pdf?__blob=publicationFile&v=4
8. In eigener Sache: unsere Hygieneschulungen und -seminare
Möchten Sie Ihr hygienebeauftragtes Personal ausbilden? Wir bieten verschiedene Schulungen für die Aus- oder Weiterbildung von Hygienemultiplikatoren in unterschiedlichen Positionen im Online-Format an.
Die nächsten Termine der kommenden Kurse:
- Fortbildung zur/m Hygienebeauftragten in stationärer und ambulanter Pflege (Link); insgesamt 80 Unterrichtseinheiten, davon 60 in Videopräsenz; nächster Kurs startet am 14.07.2025
- Refreshertage für Hygienebeauftragten in stationärer und ambulanter Pflege (Link); zwei Tage; nächster Kurs am 20.-21.05.2025
- Fachkraft für Hygienesicherung nach DIN 13063 (Link); vier Tage; nächster Kurs am 17.-18.06. und 24.-25.06.2025
Hier finden Sie unser gesamtes Seminarangebot: hygso.de/hygieneschulungen
Bitte beachten Sie, dass diese Informationen eine individuelle Beratung nicht ersetzen können!
Eventuelle Änderungen, die nach Ausarbeitung erfolgen, werden erst in der nächsten Ausgabe berücksichtigt. Trotz sorgfältiger und gewissenhafter Bearbeitung aller Beiträge übernehmen wir keine Haftung für den Inhalt.
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